Telefonie in Österreich


Telephonzentrale um 1885
Telephonzentrale um 1885

Beginn der Nutzung

Mit Erlass vom 3. Juni 1881 wurde vom k.k. Handelsministerium die erste Konzession für den Betrieb von Telefonanlagen innerhalb eines um den Stephansdom als Mittelpunkt gedachten Kreises von 15 km Radius an die Wiener Privat-Telefongesellschaft erteilt.

Die erste Fernsprechvermittlungsstelle befand sich im ersten Bezirk und wurde am 1. Dezember 1881 mit 154 Teilnehmern in Betrieb genommen. Die Vermittlung der Gespräche geschah durch das „Fräulein vom Amt“, das die Anrufer durch das richtige Stecken von am Gürtel getragenen Metallstöpseln mit dem gewünschten Partner zu verbinden hatte. Wenn ein Teilnehmer ein Gespräch führen wollte, musste er zunächst die Vermittlungskraft auf sich aufmerksam machen. Anfangs geschah dies durch eine, neben dem Telefonapparat hängende Pfeife. Die Teilnehmer pfiffen in die Sprechmuschel und in der Vermittlungsstelle trat das Fräulein vom Amt in die Leitung ein, sobald sie das Signal akustisch wahrgenommen hatte. Doch schon bald wurden die Apparate mit so genannten Kurbelinduktoren ausgestattet. Mit diesen Einrichtungen wurde eine Rufspannung erzeugt, die in der Vermittlungsstelle optisch und akustisch signalisierte, dass ein bestimmter Teilnehmer das Eintreten einer Vermittlungskraft in seine Anschlussleitung wünschte. Sobald der Teilnehmer die Stimme der Vermittlungskraft in seinem Hörrohr vernahm, teilte er ihr den gewünschten Gesprächspartner mit. Nach Ende des Gespräches musste der Teilnehmer wieder den Kurbelinduktor betätigen, um das Ende des Gespräches zu signalisieren.

1882 gab es schon fast 1000 Teilnehmer, sowie eine öffentliche Sprechstelle in den Räumlichkeiten der Wiener Börse. Für die Benutzung dieser Sprechstelle war eine festgelegte Gebühr zu entrichten.

Trotz des fortschreitenden Ausbaus lag Österreich im internationalen Schnitt gesehen eher am unteren Ende der Skala. Entfiel in den Städten Paris, Berlin oder Rom Ende 1885 auf etwa 40 Einwohner ein Fernsprechteilnehmer, kam in Wien nur auf etwa 1050 Einwohner ein Fernsprechteilnehmer. 

Am 1. Jänner 1895, dem Datum der Übergabe des letzten Privatnetzes (dem Wiener Stadtnetz), befand sich das gesamte österreichische Fernsprechnetz im Besitz der Staatsverwaltung. Das Telefonnetz wurde nun von der österreichischen Post- und Telegraphenverwaltung (ÖPTV) betreut. 

Die Teilnehmerzahlen entwickelten sich in den Folgejahren rasant nach oben. Beim Start im Jahr 1881 waren 154 Teilnehmer registriert, zehn Jahre später waren es bereits 11.095 und 1901 nahmen 34.651 Abonnenten am nunmehr aus dem Geschäftsleben nicht mehr wegzudenkenden Dienst teil.

Die ersten Münzfernsprecher

Der erste „Telefonautomat“ Österreichs wurde am 17. August 1903 im Wiener Südbahnhof in Betrieb genommen. Es handelte sich um eine „Telephon-Station“, welche nach Einwurf von 20 Heller zum Führen eines aktiven Gespräches zur Verfügung stand.

Ende 1907 standen in Österreich 44 öffentliche Münzfernsprecher im Einsatz: 42 in Wien und 2 in Tirol. Zehn Jahre später waren in Wien 600 und in den Ländern 178 öffentliche Münzfernsprecher im Einsatz.

Tischapparat mit Stellhebel-Nummernschalter
Tischapparat mit Stellhebel-Nummernschalter

Beginn der Automatisierung

Der handvermittelte Betrieb war nicht nur sehr umständlich sondern vor allem auch personalaufwendig. Die Einführung des automatischen Betriebes ging zunächst in Wien in einer kleinen Probezentrale vor sich. Sie wurde in der Telefonzentrale in der Berggasse am 1. April 1905 dem Verkehr übergeben und war zunächst für 200 Abonnenten eingerichtet. Als die Ergebnisse zufrieden stellend verliefen, wurde in Graz im Jahre 1910 eine vollautomatische Zentrale für 2000 Einzel- und 1200 Gesellschaftsanschlüsse in Betrieb genommen. Weitere Zentralen wurden automatisiert.

Bei diesem System erfolgte die Wahl der Teilnehmernummer allerdings nicht durch eine Wahlscheibe, sondern durch eine in den Telefonapparat eingebaute Stellhebelvorrichtung. Am Telefonapparat wurde mit Stellhebeln die gewünschte Nummer eingestellt. Die Apparate für Wien hatten sechsstellige Stellhebel, die für Graz und Linz vorgesehenen Apparate hatten vier Stellhebel. Mittels der Stellhebel wurde am Apparat die Rufnummer eingestellt, dann hob man den Hörer ab, drückte den Rufknopf und drehte dann die seitlich angebrachte Kurbel. Dieses „Stellhebelsystem“ hatte jedoch den gravierenden Nachteil, dass die Rufnummernlänge beschränkt und ein Auslösen der Verbindung erst nach vollständig durchgeführter Wahl möglich war. Weiters waren diese Apparate sehr teuer und auch störanfällig. Aus diesem Grund erhielten die Telefonapparate ab 1928 eine Wählscheibe.

Freileitung, 1931
Freileitung, 1931

Fernverbindungen

Gleich zu Beginn der Telefonie gab es bereits interurbane Verbindungen in die österreichischen Kronländer. Allerdings wurden diese Leitungen bis etwa 1920 ausnahmslos über Freileitungstrassen geführt. Dadurch kam es naturgemäß immer wieder zu Störungen durch Stürme, Eislasten im Winter, umgestürzte Bäume usw. Die nahe liegende, in Ortsnetzen schon praktizierte Lösung, Kabeltrassen unterirdisch zu führen, schied für die Fernkabel zunächst aus, da auf derartigen Leitungen, der Dämpfung wegen, nur etwa 50 km weit telefoniert werden konnte. Erst die Erfindung des serbischen Physikers Michael Pupin, der an bestimmten Stellen der Fernkabel zum Ausgleich deren elektrischer Kapazität Selbstinduktionsspulen einsetzte (Pupin Spule), wodurch die Dämpfung herabgesetzt und eine Gesprächsweite bis maximal 200 km erreicht werden konnte, machte dies möglich. Eine noch größere Reichweite ergab sich erst, als es gelang, dem durch die große Entfernung geschwächten Sprechstrom wieder neue Energie zuzuführen, also den Sprechstrom zu verstärken. Dies gelang mit der vom österreichischen Erfinder Robert von Lieben entwickelten Verstärkerröhre. Beide Erfindungen zusammen boten nun die Möglichkeit, beliebig weite Entfernungen durch betriebssichere und wirtschaftliche Fernleitungen zu überwinden.

Das erste unterirdisch verlegte Fernkabel führte von Wien über St. Pölten und Linz nach Nürnberg. Bereits 1916 gelegt, wurde es aber erst 1926 in Betrieb genommen. Dieses Kabel hatte 98 Adernpaare und wurde zum ersten Mal in Abständen von 75 km mit Verstärkern versehen. Diese Verstärkereinrichtungen wurden in den so genannten Verstärkerämter aufgebaut. Dort wurden die Kabel aufgeschaltet, die Leitungen galvanisch getrennt zu den Röhrenverstärkern geführt, verstärkt und dann wieder galvanisch getrennt zur nächsten Verstärkerfeldlänge rangiert. Weitere Fernkabel führten bald von Wien nach Budapest(1927), von Linz über Innsbruck in die Schweiz(1928), von Innsbruck nach München(1928), von Wien nach Brünn(1928), von Bruck an der Mur nach Linz (1929) und von Bruck an der Mur über Klagenfurt und Villach nach Italien(1930).

Zweiter Weltkrieg

Der Anschluss Österreichs beendete die Selbständigkeit des Telefonwesens: Ein eigenes Gesetz vom 19. März 1938 behandelte die „Überleitung der österreichischen Post- und Telegraphenverwaltung auf das Deutsche Reich (Deutsche Reichspost)“. Alle postalischen Belange wurden nun mehr von Berlin aus gesteuert.

Durch den im Folgejahr beginnenden Zweiten Weltkrieg kamen sämtliche weiteren Ausbauaktivitäten zum Stillstand. Während der Kriegsjahre wurden die Telefonzentralen und Verstärkerämter stark in Mitleidenschaft gezogen. Besonders im Osten Österreichs, speziell in Wien, war die Situation überaus prekär.Weitere Schäden durch Granatsplitter und Bombenteile wurden allerdings auch durch den Umstand, dass man ab Mitte 1944 die Fenster der Wählämter zumauerte, größtenteils vermieden.

Daneben wies das damals 2737 km lange Kabelnetz rund 9600 Schadstellen auf, von 8650 Kabelausmündungsobjekten waren mehr als die Hälfte nicht mehr funktionstüchtig. Auch vier Wiener Telefonzentralen waren gänzlich funktionsunfähig.

Wiederaufbau nach 1945

Das Problem der ab April 1945 wiedererrichteten Österreichischen Post- und Telegraphenverwaltung waren die von den Besatzungsmächten eingeteilten Besatzungszonen. Jede Zone stellte ein in sich geschlossenes Hoheitsgebiet dar und die in Wien amtierende Generaldirektion hatte keinen Einfluss auf die Vorgänge in diesen Zonen. Besonders in den von den Russen besetzten Gebieten wurden die technischen Einrichtungen der österreichischen Post- und Telegraphenverwaltung abgebaut und von der Roten Armee Richtung Russland abtransportiert. Pikanterweise wurde auch das in der Russischen Besatzungszone liegende Amt Wien-Favoriten auf Weisung der Roten Armee abgebaut. Auch verschiedene Kabel wurden beschlagnahmt, darunter auch das erste Koaxialkabel Wien-Bruck an der Leitha musste ausgegraben werden.

Trotz dieser widrigen Umstände waren im Jahr 1945 bereits wieder 33.364 Telefonanschlüsse und Ende 1946 gab es österreichweit 172.376 Telefonteilnehmer. Allerdings übten die Besatzungsmächte die verfügten Zensurbestimmungen auf dem Telefonsektor aus. Bis zum Ende der Viermächtezensur im Jahre 1953 wurden Auslandsgespräche überwacht.

1947 wurde das FZA, das Fernmeldetechnische Zentralamt, gegründet. Zu den Aufgaben dieser neu geschaffenen Stelle gehörte unter anderem die österreichweite Planung des Weitverkehrsnetzes, die Planung des Ortsnetzes Wien, die Erstellung eines Fernwählnetzplanes und eines Dämpfungsplanes. Auch wurde eine Fernmeldezentralbauleitung (FZB) und das Fernmeldezeugwesen (F-Zeug) gegründet.

Motorwähler für System 48
Motorwähler für System 48

Einheitliches Wählsystem

Automatisiert, also auf Wählbetrieb ausgerichtet, war nach Ende des Zweiten Weltkrieges nur der Ortsverkehr in den größeren Städten. Dabei waren neun verschiedene Wählsysteme in Verwendung. Es gab unter anderem das „Wiener“, das „Grazer“ oder auch das „Badener“ System sowie die Systeme „29“, „34“ und „40“. Diese gewachsene Vielfalt war unrentabel und störend. Es war daher unbedingt notwendig ein einheitliches System einzuführen.

Mit 8. April 1948 erließ das Fernmeldetechnische Zentralamt die Richtlinien für das neue, landesweit einheitliche Wählsystem 48. Am 1. April 1950 wurde das erste, nach dem neuen System arbeitende Wählamt in Eferding in Betrieb genommen. Ab 1956 wurde der Verwaltung eine modifizierte Version des Systems 48 angeboten, man verwendete anstelle des Hebdrehwählers einen Wähler mit Motorantrieb, der alle erreichbaren 100 Schritte drehend mittels eines kleinen Motors einstellen konnte. Dieses System benannte man W48M. Ende 1957 ging das erste Versuchsamt nach dem System W48HK, das mit Koordinationsschaltern funktionierte, in Betrieb. Das System W48HK bewährte sich in weiterer Folge derart, dass es in großer Zahl aufgebaut wurde. Das Wählsystem 48 nach den verschiedenen Systemen war vom 1. April 1950 (Eferding) bis zum 29. Februar 2000 (Hetzendorf) im Einsatz und wurde sodann durch die beiden digitalen Systeme OES-D und OES-E ersetzt.

Die Umstellung der letzten handvermittelten Telefonzentrale mit dem Fräulein von Amt auf 

Selbstwählverkehr erfolgte 1972.

Tischapparat 1976
Tischapparat 1976

Digitalisierung und Liberalisierung

Schon Mitte der 1970er Jahre machte man sich Gedanken über die Nachfolgegeneration des Systems W48. Einerseits mussten wegen Überalterung und Abnutzung einige Ämter getauscht werden, andererseits wollte man sich neuen Techniken und Technologien nicht verschließen.

So wurde – unter Einbeziehung der österreichischen Lieferfirmen und der ÖPTV – die ÖFEG, die „Österreichische Fernmeldetechnische Entwicklungs- und Förderungsgesellschaft m.b.H.“ im Jahre 1978 gegründet, die sich auf dem internationalen Markt nach geeigneten neuen Systemen umsehen sollte. 1981 fiel dann die Entscheidung, die beiden Systeme, nämlich das kanadische Nortel DMS100 und das deutsche EWS-D für den österreichischen Markt zu adaptieren. Kapsch und Schrack schlossen sich zu der „AT-Austria Telekom“ zusammen und befassten sich mit dem kanadischen System, während Siemnes & Alcatel am deutschen EWS-D arbeiteten. Alcatel schied aber kurze Zeit danach aus, so dass das EWS-D nur von Siemens adaptiert wurde.

Die ursprünglich bis 2008 geplante landesweite Umschaltung auf OES musste durch die von der EU vorgesehene Liberalisierung des Fernmeldeverkehrs unter Einbeziehung von Alternativnetzanbietern um einige Jahre vorgezogen werden. Ende 1996 war in der Fernnetzebene der landesweite Systemtausch schon so weit gediehen, dass die letzten analogen Einrichtungen abgeschaltet werden konnten. Auf Ortsnetzebene dauerte es noch einige Jahre länger. In Wien wurden am 24. Dezember 1999 die letzten analogen Teilnehmer auf digitale Ämter umgeschaltet. Die Umschaltung auf das Digitalnetz war damit zu Weihnachten 1999 – und damit auch fristgerecht gemäß einer EU-Richtlinie – abgeschlossen.

Eine Folge des EU-Beitritts Österreich 1995 und der damit erfolgten Liberalisierung des Telekom-Marktes war, dass Alternativnetzanbieter nun Direktanschlüsse vergeben durften, zuerst mit fix zugewiesenen Rufnummernkreisen (meist mit 9... beginnend), ab Jahresbeginn 2000 konnten Teilnehmer, die sich „entbündeln“ ließen (Umschaltung in das Netz eines Alternativnetzanbieters), ihre ehemalige Telekomnummer zum Privatanbieter „mitnehmen“, also „portieren“ lassen. Eine Vielzahl von Telefon-Anbietern war nun am österreichischen Markt aktiv und bot Telekommunikationsprodukte und Dienstleistungen an.


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Bilder: Fotoarchiv A1 Telekom Austria;

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